Alleine in Deutschland leiden über 13 Millionen Menschen an einem Hörverlust. Dennoch befindet sich nur ein Fünftel davon in Behandlung. Die Gründe für einen Verzicht auf medizinische Maßnahmen sind hauptsächlich Schamgefühl und die Angst vor eingeschränktem Komfort. Doch viele dieser Thesen sind Vorurteile und heute nicht mehr zeitgemäß.
Der Weltgesundheitsorganisation zufolge leiden alleine in Deutschland 13 bis 15 Millionen Menschen an einem Hörverlust. Die Tendenz ist steigend, denn die Gesellschaft wird immer älter. Dennoch werden heute nur rund ein Fünftel der Betroffenen von einem Hörakustiker behandelt, obwohl eine Behandlung sehr wichtig ist. Da sich die Betroffenen oft gesellschaftlich zurückziehen, wird das Demenzrisiko drastisch erhöht. Die Gründe für einen Verzicht auf medizinische Maßnahmen sind hauptsächlich Schamgefühl und die Angst vor eingeschränktem Komfort. Doch viele dieser Thesen sind Vorurteile und heute nicht mehr zeitgemäß.
Ein Austausch der neuesten Technik
Die GN-Gruppe ist dafür bekannt geworden, dass sie die ersten Telegraphenleitungen der Welt verlegte. Mittlerweile hat sich das Unternehmen in verschiedene Sparten für Geschäftskunden, Consumer Electronics und Medizinprodukte aufgeteilt. Diese stehen jedoch stets im Austausch, um die neuen Technologien der Unterhaltungselektronik auch in Hörgeräten nutzbar zu machen. Letztere werden unter anderem von ReSound vertrieben, das sich besonders auf ein smartes Hörerlebnis spezialisiert hat. Dazu bringt es verschiedenste Konnektivitätsfunktionen auch als Kassenprodukte in die erschwingliche Mittelklasse. Durch Vernetzung des Hörgeräts mit der Technik des Alltags soll es durch ein „hippes” Auftreten vor allem für junge Leute attraktiver werden.
Verknüpfung mit dem Smartphone
Die Hörgeräte von ReSound können mit dem Smartphone oder Festnetztelefon des Nutzers über Bluetooth verknüpft werden. Unterstützt werden allerdings nur iOS-Modelle von Apple und Android-Geräte ab der Version Android 10, die gerade erst vor vier Tagen veröffentlicht wurde. Grund dafür ist, dass der energiesparende Betrieb mit dem kleinen Akku eines Hörgeräts zwingend Bluetooth 5.0 LE (Low-Energy) voraussetzt. So können Inhalte wie Musik oder Hörbücher ohne zusätzliche Kopfhörer direkt auf das Hörgerät gestreamt werden. Ein separat erhältliches ansteckbares Mikrofon erlaubt es zudem, freihand mit dem Gerät zu telefonieren. Auf ein Mikrofon im Gerät selbst wurde verzichtet, da da die Sprache aufgrund der Umgebungsgeräusche nicht gezielt eingefangen werden kann. Außerdem können Navigationen oder Übersetzungen direkt über das Hörgerät wiedergegeben werden. Das funktioniert mit jeder Lösung, man ist also nicht an die Apps des Herstellers gebunden. Bis zu 30 Stunden beträgt die Laufzeit des neuesten Modells LiNX QuattroTM bei einer vollständigen Aufladung. Diese nimmt etwa drei Stunden in Anspruch. Bei zwölfstündigem Streaming reduziert sich die Laufzeit auf 24 Stunden.
Nicht nur „Bahnhof verstehen”
Theoretisch ist auch der Empfang von Ansagen auf Bahnsteigen oder in öffentlichen Einrichtungen direkt über das Hörgerät möglich. Das funktioniert ohne dass diese vom Mikrofon selbst eingefangen werden, was einen Qualitätsverlust zur Folge hätte. Zum Ausbau in Deutschland konnte sich der ursprünglich schwedische Hersteller ReSound gegenüber mir auf Nachfrage aber nicht äußern, ich solle einen lokalen Hörakustiker kontaktieren. Zur Umsetzung muss nämlich eine Funkanlage vorhanden sein, die relevante Informationen in einem bestimmten Frequenzbereich des FM-Bandes aussendet.
Eine Art TeamViewer für Medizinprodukte
Außerdem könne der betreuende Hörakustiker über eine Schnittstelle jederzeit auf die Konfiguration des Gerätes zugreifen, erzählte Pressesprecher Martin Schaarschmidt im Gespräch. Sollte einem etwa im Urlaub auffallen, dass die Konfiguration nicht mehr ideal scheint und man den Gesprächen mit Freunden oder Familie nur eingeschränkt folgen kann, braucht man nur über die App eine Problembeschreibung einsenden. Er betonte, dass nur der zuständige Akustiker auf die Nachricht und die Konfiguration zugreifen könne, weder andere Kollegen der Branche, noch ReSound selbst.
Abhilfe bei vollständigem Hörverlust
In Extremfällen kommt ein Implantat aus einer Partnerschaft zwischen Cochlear und ReSound zum Einsatz. Dieses sogenannte CI-Implantat (nach Cochlear benannt) funktioniert praktisch als Einspeisung und Übersetzung der elektrischen Impulse einer äußeren Ergänzung an das menschliche Gehirn. Es erlaubt nach einem operativen Eingriff sowohl gehörlos geboren Kindern als auch im Alter taub gewordenen Erwachsen, die Signale wieder richtig zu verarbeiten. Lediglich seit jeher taubstummen Erwachsenen wird von dem Verfahren abgeraten, da das Gehirn es nach vollendeter Entwicklung nicht mehr schafft, die Signale richtig zu interpretieren. Über 50.000 Trägern in Deutschland hat die Kooperation bereits einen Stein vom Herzen genommen.
Ein Wandel in der Akzeptanz
Einer forsa-Studie im Auftrag von ReSound zufolge wiegt in den Augen der Nutzer nun die smarte Vernetzung mit 59 % mehr als die Unauffälligkeit und Größe des Gerätes mit 54 %. Als erster Hersteller vernetzter Hörgeräte hat ReSound maßstäblich einen gesellschaftlichen Wandel hervorgerufen und dazu beigetragen, die allgemeine Akzeptanz von akustischen Medizinprodukten in Deutschland zu steigern.
In mehr als 6.500 Fachgeschäften können an Gehörlosigkeit oder Hörverlust Leidende die Geräte von ReSound momentan testen. Diese stellen sicherlich einen großen Schritt in Richtung der Hörgeräte der Zukunft dar und es bleibt spannend, was die nächsten Jahre an Forschung noch mit sich bringen werden.
Dieser Artikel ist zuvor bei youthmag erschienen.
Bilder: ReSound
1 Kommentar
Sven Bucher
Für einen selbstbewussten Umgang mit einem Hörgerät ist die Entwicklung des gesellschaftlichen Bewusstseins von Nöten. Ein Hörgerät gleicht einer Erhöhung des eigenen Lebensstandards, immerhin wird eines unserer Sinnesorgane wieder auf Vordermann gebracht. Ich verstehe nicht, wieso man resignieren sollte – ich trage meins gerne!