Die Mogelpackung Europacity. Ein Viertel verändert sich.
Wenn man am Hauptbahnhof ankommt, ist das Erste, was man erblickt, eine Landschaft voller Baukräne und dazwischen weiße futuristische Gebäude. Bei diesem Bauprojekt handelt es sich jedoch keinesfalls um ein Filmset für einen neuen Film, der in der Zukunft spielt. Auch ist die Konzeption kein Labor mit gefährlichen Substanzen. Nein, es entsteht lediglich die Europacity. Ein Platz zum Leben, Wohnen und Arbeiten.
Europacity?!
Bei der Europacity handelt es sich um eine Fläche in Mitte, genauer gesagt im Ortsteil Moabit. Diese wurde lange Zeit nur spärlich genutzt, dann am Anfang der 2000-er von Investor*innen erworben. Seitdem werden dort fleißig Bürogebäude und Wohnhäuser errichtet.
Selbst beschreibt sich die Europacity als „ein neues Stück Berlin, eine vielseitige Mischung für Stadtmenschen und alles, was sie begehren.“ Sie solle ein Ort zum Leben und zum Arbeiten sein, ein Quartier, das dem Alltag Farbe verleiht. Dabei orientiert sich das Konzept an großzügigen Grün- und Freiflächen, bereichert um städtischen Komfort und richtet sich damit an Familien und Singles, aber auch an kleine und große Unternehmen mit ihren Büros.
Keine schöne, neue Welt
Direkt an der Spree zu wohnen oder arbeiten, in nächster Nähe zum Hauptbahnhof, das klingt im ersten Moment gar nicht so schlecht. Auch die Grundflächen von ca. 61 Hektar und die praktische Anbindung an die Heidestraße, scheinen auf den ersten Blick für das Quartier zu sprechen.
Doch ist alles nicht annähernd so zauberhaft, wie es auf der Internetseite angepriesen wird. Zuallererst sei erwähnt, dass das gesamte Gebiet bis voraussichtlich 2025 nicht vollständig fertiggestellt sein wird. Wem das nichts ausmacht, der interessiert sich vielleicht dafür, dass das Konzept gar nicht so divers und nachhaltig wie ursprünglich beworben ist.
Umweltsünde statt Smartcity
Mit überwiegend Bürogebäuden ist die Europacity vor allem eins: Arbeitsplatz. Bei diesem Umstand könnte man jetzt denken, wie praktisch es doch sei, die über 3000 Wohnungen gleich in der Nähe zu haben. So könnten die CO2-Emissionen, die beim Fahrtweg anfallen, vollständig gespart werden.
Doch leider gleichen die Mieten nicht dem Einkommen. Es handelt sich fast ausschließlich um Luxuswohnungen, die für Normalverdienende nicht zu bezahlen sind. Alle Arbeiter*innen müssen also weiterhin lange Wege auf sich nehmen, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen – und das häufig mit dem Auto. Wie man sich vorstellen kann, beschwingt das vor allem das Geschäft von Tankstellen, nicht aber die Verlangsamung des Klimawandels.
Gentrifizierung
Die Europacity hat aber noch ein zweites maßgebliches Problem: Sie trägt zu Gentrifizierung in Berlin-Mitte bei. Gentrifizierung lässt sich als die Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte durch wohlhabendere, zum Beispiel auf Grund von zu hohen Mieten, definieren.
Generell tritt Gentrifizierung fast immer dann auf, wenn Wohngegenden attraktiv für Investor*innen sind und dadurch eine enorme Wertsteigerung erfahren.
Diesen Prozess findet man eigentlich in jeder großen Stadt. Die eigentliche Problematik daran ist nur, dass sich die Aufwertung eines Gebäudes auf ihr Umfeld auswirkt. Die umliegenden Häuser werden sozusagen passiv mitgentrifiziert. Das passiert gerade auch in der Europacity – und um sie herum.
Mitte: Arm, aber sexy?
Mitte hat ein Problem, die Bewohner*innen sind im Durchschnitt ziemlich arm. Studien haben nachgewiesen, dass das durchschnittliche Netto-Einkommen pro Kopf in dem Bezirk mit 1.075 Euro rund 150 Euro unter dem Berliner Durchschnitt liegt. Außerdem empfangen rund 19,4 Prozent der Einwohner*innen Arbeitslosengel II. Das sind sechs Prozent mehr als im Durchschnitt.
Viele wohnen also nur in Mitte, weil sie sich andere Wohngegenden nicht leisten können. Durch die unumgängliche Mietpreiserhöhung in Folge des Baus der Europacity werden nicht wenige auf der Straße landen. Dieser Umstand ist alles andere als nachhaltig.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Die Europacity verspricht vieles und hält doch nur wenig davon ein. Auch wenn erstmal der Schein des Guten gewahrt werden kann, ist nicht alles Gold, was glänzt. Nein, in diesem Fall sind es Glas und weiße Farbe, die das Licht reflektieren.
Doch sind die Bauwerke an sich äußerst beeindruckend. Wenn man sich selbst einen Überblick über die Situation verschaffen möchte, kann man auch mal einen Ausflug wagen. Verpflegung muss dabei aber schon mitgebracht werden, denn Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht und später einmal werden diese wohl eher hochpreisig sein.