Amerikas Baustellen häufen sich rasant. Doch dem Bauherrn fehlt schlicht das Händchen fürs Krisenmanagement.
Ein Blick in die Welt in den brisanten Zeiten der letzten Wochen und Monate führt anschaulich vor Augen, wie in den USA viele verschiedene Krisen und Faktoren zu einem regelrechten Ausnahmezustand führen. Es spielt keine Rolle, ob man mit dem anfänglichen Versagen des Krisenmanagements Donald Trumps im Kampf gegen Corona anfängt, den gewaltvollen landesweiten Protesten gegen weiße Polizeigewalt oder den Kampf des Präsidenten gegen den Kurznachrichtendienst Twitter.
Nichts währt ewig
22. Januar, die erste Person in den USA ist mit dem Coronavirus infiziert. Von Trump folgt prompt der erste Kommentar im Interview mit CNBC: „Wir haben es völlig unter Kontrolle. Es ist eine Person, die aus China kommt. Es wird alles gut werden.“ Doch dass alles gut werden wird, dass die Lage unter Kontrolle ist, soll sich wenige Monate später als völlige Fehleinschätzung des Präsidenten erweisen.
Bis Anfang März wird die Pandemie kleingeredet und hauptsächlich Überzeugungsarbeit geleistet. Amerika sei sehr, sehr gut vorbereitet. Doch dann der Umschwung, die 180-Grad-Kehrtwende: Am 13. März ruft Trump den nationalen Notstand aus und macht damit eine Summe von 50 Milliarden US-Dollar locker. Wenige Tage später erklärt er im Pressebriefing vollen Ernstes, er habe die Lage immer als sehr ernst angesehen und das Gefühl gehabt, „dass es eine Pandemie war, lange bevor es Pandemie genannt wurde“.
Dann schießt Trump voller Wut auf die WHO los, die Organisation sei eine „Marionette“ Chinas und mitverantwortlich für die Ausbreitung des Virus, so Trump auf einer Pressekonferenz. Während die USA mit nicht abnehmenden Trends als erstes Land der Erde im Mai 100.000 Corona-Tote hervorbringt und einen Rekord nach dem anderen bricht, beendet Trump die Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation von heute auf morgen. Von der EU und anderen Ländern hagelt es Kritik, der Ausstieg sei ein falsches Signal zur falschen Zeit.
Rassismus präsenter denn je
Im gleichen Moment in Minnesota, Minneapolis: Der dunkelhäutige US-Bürger George Floyd wird auf offener Straße festgenommen – von weißen Polizisten. Passanten filmen, wie ein Polizeibeamter minutenlang auf dem Hals des Festgenommenen kniet, der nicht atmen kann und das Bewusstsein verliert, dann im Krankenhaus später stirbt. Das Video kursiert im Internet und verbreitet sich schnell. Das Problem weißer Polizeigewalt steht wieder im Mittelpunkt. Binnen weniger Tage gibt es nicht mehr nur in Minneapolis Proteste, Feuer und Gewalt.
Twitter als Schiedsrichter der Wahrheit
Die Lage scheint nicht schwierig genug zu sein, da wird der Präsident auch noch vom Kurznachrichtendienst Twitter zur Weißglut gebracht. Seit Jahren postet Donald Trump hier Nachrichten, sieht die Plattform als direktes Sprachrohr zu seinen Wähler*innen. Und plötzlich wird sein Tweet mit einem Warnhinweis versehen, der Inhalt der Nachricht des Präsidenten könnte irreführend sein und sei falsch. Voller Zorn unterschreibt Trump wenige Tage später ein Dekret, dass das Haftungsrisiko für Social-Media-Konzerne erhöhen soll. Weiterhin wirft er dem Unternehmen vor, die Präsidentschaftswahl im November beeinflussen zu wollen. Doch der rechtliche Bestand der Anordnung wird von Beobachter*innen direkt danach in Anbetracht des Artikels 230 „Communications Decency Act“ angezweifelt. Der Artikel aus dem Jahr 1996 stuft Konzerne wie Twitter oder Facebook als Plattformen und nicht als Verlage ein, weshalb sie grundsätzlich nicht für Inhalte ihrer Nutzer*innen haften.
Alles nur Drama und Theatralik
Als wenn es keine wichtigeren Probleme gibt, stürzt Trump sich in einen Kampf mit einem Onlinekonzern, vielleicht auch um andere Probleme und Baustellen zu überdecken. Denn im November ist Wahl und aus der will Trump natürlich als Gewinner hervorgehen.