Ist die Aus­gans­sper­re eine Gefahr für die Demokratie?

Die Coro­na-Kri­se hat in Deutsch­land schwer­wie­gen­de Maß­nah­men mit sich gebracht. Doch nicht nur hier, in ganz Euro­pa, in der gan­zen Welt wer­den durch Aus­gangs­sper­ren, abge­sag­te Demons­tra­tio­nen und ande­re Rege­lun­gen Grund­rech­te wie die Ver­samm­lungs­frei­heit und Frei­zü­gig­keit in einer dras­ti­schen Art und Wei­se ein­ge­schränkt.  Ein Kommentar.

In Ber­lin gibt die Bun­des­re­gie­rung den Ton für das rich­ti­ge Han­deln zur Ein­däm­mung des Virus an. Wäh­rend am 27. März noch drei Vier­tel der deut­schen Bevöl­ke­rung die staat­li­chen Maß­nah­men, die das All­tags­le­ben stark ein­schrän­ken, rich­tig fan­den1, wer­den nun in Oppo­si­ti­ons­krei­sen Stim­men immer lau­ter, dass die Hand­lun­gen der Regie­rung even­tu­ell in Tei­len über­stürzt waren, ver­fas­sungs­recht­lich hei­kel sind und es einer Kor­rek­tur bedarf.

Die Gefahr der Notstandsgesetze

Ich selbst habe mich zu die­sem The­ma reich­lich bele­sen und beson­ders hin­sicht­lich der gege­be­nen Situa­ti­on fin­de ich den Satz „In einer Demo­kra­tie ist nichts alter­na­tiv­los“ wich­ti­ger denn je. Die Mei­nungs­frei­heit ist ein Grund­recht, das glück­li­cher­wei­se nicht durch einen Beschluss der Regie­rung zur Ein­däm­mung der Coro­na-Kri­se ein­ge­schränkt wer­den kann. Eine Ent­wick­lung, wie sie gera­de in Ungarn pas­siert, ist in mei­nen Augen dra­ma­tisch. Auch in einer Kri­sen­zeit müs­sen mei­ner Mei­nung nach die Par­la­men­te wei­ter tagen dür­fen, denn sie sind der Ort, an dem die Dis­kus­sio­nen statt­fin­den, an dem sich öffent­lich wider­spro­chen wird und an dem die­ser gro­ße Satz „In einer Demo­kra­tie ist nichts alter­na­tiv­los“ am aller­meis­ten reprä­sen­tiert wird.

Wenn ein Vik­tor Orban das Par­la­ment mit einem Not­stands­ge­setz für eine bestimm­te Zeit voll­kom­men außer Kraft set­zen kann und ganz allei­ne, ähn­lich wie ein Dik­ta­tor, die Richt­schnur vor­ge­ben kann, dann fin­de ich das nicht nur dra­ma­tisch, son­dern gar gefähr­lich. Auch wenn die­se Schluss­fol­ge­rung ein wenig weit her­ge­holt sein mag, erin­nert mich das Aus­nut­zen einer poli­ti­schen Kri­se zur Aus­he­be­lung des Par­la­ments an eine Situa­ti­on vor gut 80 Jah­ren in Deutsch­land. Und das ist fatal. Auch wenn die­ser Schritt Ungarns in Euro­pa der beacht­lichs­te war, gibt es auch in ande­ren Län­dern ähn­li­che Entwicklungen.

Parlamentarismus in Deutschland

Dass der Par­la­men­ta­ris­mus in Deutsch­land jedoch funk­tio­niert, hat erst vor weni­gen Wochen Finanz­mi­nis­ter Olaf Scholz mit den Finanz­hil­fen in Mil­li­ar­den­hö­he ein­drucks­voll bewie­sen. Ich habe sel­ten einen Geset­zes­ent­wurf gese­hen, der das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren in einer so kur­zen Zeit durch­lau­fen hat. Inner­halb weni­ger Tage gab es Zustim­mung vom Bun­des­rat, Bun­des­tag und dem Bun­des­prä­si­den­ten. Das zeigt auch, dass es nicht zwangs­läu­fig not­wen­dig ist, in einer Kri­sen­zeit das Par­la­ment aus­zu­schal­ten, um schnel­le­re Ent­schei­dun­gen zu treffen. 

Die Kon­troll­funk­ti­on des Par­la­ments ist natür­lich für das Funk­tio­nie­ren einer Demo­kra­tie rele­vant, unab­hän­gig von einer Kri­se. Da jedoch die Bun­des­re­gie­rung als Exe­ku­ti­ve im Moment das Heft für Maß­nah­men zur Ein­däm­mung der Pan­de­mie in der Hand hat, erscheint mir die­se Kon­trol­le gera­de jetzt als enorm wich­tig, auch ange­sichts der Situa­ti­on in Ungarn. Dort erken­ne ich näm­lich auf jeden Fall eine Gefahr für die Demokratie.


1Quel­le: ZDF, Polit­ba­ro­me­ter vom 27.03.2020

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