Im Interview mit den Bundestagskandidat*innen aus Lichtenberg spricht Gesine Lötzsch (Die Linke) über die soziale Schere zwischen Arm und Reich, die Digitalisierung in Schulen und verschlafene Jahre mit der Großen Koalition.
Warum kandidieren Sie für den Bundestag?
„Ich will unsere Gesellschaft gerechter, ökologischer und friedlicher machen. Die Bundesregierung hat die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht. Deutsche Milliardäre steigerten ihr Vermögen seit 2009 um sage und schreibe 175%. Das Vermögen der 119 deutschen Milliardäre stieg nach einem Einbruch zu Beginn der Corona-Pandemie auf 505 Milliarden Euro. Ich setze mich für eine Steuerreform ein, die Vermögen höher besteuert. Mehreinnahmen müssen in Bildung, Ökologie und Gesundheit investiert werden.“
Was wollen Sie konkret für Lichtenberg erreichen?
„Die Digitalisierung der Schulen ist immer noch ein großes Problem. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass der Bundestag 5 Milliarden Euro für die Digitalisierung der Schulen bereitstellt. In Kooperation mit dem Senat und den Bezirken müssen die Gelder sinnvoll in den Schulen eingesetzt werden. Das klingt einfacher als es ist. In der nächsten Wahlperiode werde ich weiter dafür kämpfen, dass mehr Geld in die Bildung investiert wird. Es wird auch um die Verbesserung des Nahverkehrs gehen. Die S‑Bahn ist eine Tochter der Deutschen Bahn. Ich werde dafür kämpfen, dass die S‑Bahn nicht mehr das Stiefkind der Bahn bleibt.“
Sind Sie der Meinung, dass 16-Jährige ein politisches Urteil fällen können und das Wahlalter ab 16 eingeführt werden sollte?
„Natürlich! Mich haben viele junge Menschen im Bundestag besucht und mit mir über Politik diskutiert. Ich war beeindruckt, was sie alles wussten.“
Fridays For Future ist eine sehr große Bewegung, an der vor allem Jugendliche teilgenommen haben. Die größte Forderung der Initiative besteht in der Einhaltung des 1,5‑Grad-Ziels, so wie es im Pariser Klimaabkommen vereinbart wurde. Welche Schritte sind konkret nötig, um dieses zu erreichen?
„Die Bundesregierung hat viel zu wenig getan, um das Ziel zu erreichen. Das liegt an starken Lobbygruppen in der Auto- und Energieindustrie, die sich mit Händen, Füßen und viel Geld gegen die Klimaziele stellen. Wir fordern einen sozialen Klimawandel. Wer den größten CO2-Fußabdruck hat, der muss auch mehr zahlen. Das Verursacherprinzip muss endlich durchgesetzt werden. Nur ein Beispiel: Autofahrer müssen mehr Geld für das Benzin zahlen. Das trifft aber nicht alle Autofahrer gleich. Wer ein hohes Einkommen hat, wird durch die Entfernungspauschale steuerlich entlastet. Wer wenig bekommt und keine Einkommenssteuer zahlen muss, bekommt auch keine Entfernungspauschale. Das geht natürlich nicht.“
Sind Sie der Meinung, dass gendergerechte Sprache zur Gleichberechtigung beiträgt?
„Unsere Sprache ist wichtig. Sie spiegelt unser Denken und sie verändert unser Denken. Wir müssen über grundsätzliche Fragen sprechen. Seit über 100 Jahren kämpfen Frauen für Gleichberechtigung. Immer noch bekommen Frauen weniger Lohn als Männer für die gleiche Arbeit. Immer noch hat der Niedriglohnsektor ein weibliches Gesicht. Immer noch sitzen mehr Männer als Frauen in den Parlamenten. Immer noch gibt es Gewalt gegen Frauen. Immer noch werden Femizide in Deutschland nicht als tödliche Gewalt gegen Frauen anerkannt.“
Die Redaktion bedankt sich für das Interview. Das Superwahljahr 2021 wird große Auswirkungen auf die kommenden vier Jahre haben. Die Herderzeitung sprach deshalb auch mit anderen Kandidaten für den Bundestag im Bezirk Lichtenberg.