Veganismus geht auch mit Fleisch, seit neustem jedenfalls. Kann das synthetische Hack mithalten?
Das Thema Klimawandel ist momentan präsenter denn je. Vor allem junge Menschen sehen ihre Zukunft gefährdet und fordern die Regierung und Entscheidungsträger*innen zum Umdenken auf. Ein klimabewusster Lifestyle liegt im Trend – ein elementarer Bestandteil davon ist es auch, das eigene Denken und Handeln zu hinterfragen.
Gerade in Zeiten von Fridays for Future kann niemand mehr sagen, er*sie wüsste nichts von den Auswirkungen seines*ihres Fleischkonsums auf das Klima. Doch nichtsdestotrotz wollen nur wenige ihre Komfortzone verlassen und zu Gunsten der Umwelt auf vegetarische oder gar vegane Ernährung umsteigen.
Massentierhaltung ist die wahre Umweltsau
Der*die durchschnittliche Deutsche setzt durch seinen*ihren Konsum an Schweinefleisch mehr als 240 Kilogramm CO2 im Jahr frei. Gleich mehrere Facetten der Agrarökonomie tragen zu diesen immensen Emissionen bei.
Einerseits ist das Kraftfutter der Tiere problematisch. Dabei handelt es sich nämlich meist um Mais, Weizen oder Soja. Da allein in Deutschland vierzig Prozent der pflanzlichen Lebensmittel in die Nutztierhaltung fließen, werden weltweit jedes Jahr riesige Flächen an Urwäldern gerodet, um Anbauflächen für die Landwirtschaft einzurichten. Dabei ist das Umwandlungsverhältnis von Futter zu dem gewünschten Fleisch keinesfalls effizient: Damit ein Schwein um ein Kilogramm zulegt, muss es zuvor mindestens zweieinhalb Kilogramm Futter zu sich nehmen.
Auf der anderen Seite werden bei der Verdauung der Nutztiere bei Prozessen wie der Eruktation und dem Flatus Treibhausgase wie Methan freigesetzt. Methan gilt bei einhundert-jähriger Betrachtung als fünfundzwanzig-mal schädlicher als Kohlenstoffdioxid. Natürlich kann man den Tieren nicht das Aufstoßen und auch nicht ihre Blähungen verbieten, doch die Menge macht das Gift. Die Massentierhaltung ist der entscheidende Sektor, der innerhalb kürzester Zeit die Freisetzung vom Klimakiller Methan ausbremsen könnte.
Obwohl wir alle uns diesen Problempunkten bewusst sind, wollen zugleich nur wenige auf Fleisch als Nahrungsmittel verzichten. So leben einer Erhebung des Instituts für Demoskopie Allensbach zufolge momentan nur rund sechs Millionen Deutsche ohne Fleisch.
Auch Tierschützer*innen beklagen immer wieder die furchtbaren Zustände in den Betrieben. Der Fakt, dass im Durchschnitt jede Sekunde siebenundvierzig Schweine für die Nahrungsmittelindustrie sterben, spricht ganz klar für sich.
„Schweinefleisch ist köstlich und allgegenwärtig – aber problematisch für Milliarden von Menschen und die ganze Welt. Im Gegensatz dazu wird jeder in der Lage sein, Impossible Pork zu genießen, ohne Kompromisse bei der Köstlichkeit, der Ethik oder der Erde einzugehen “
Dr. Laura Kliman, Leitende Geschmackswissenschaftlerin bei Impossible Foods
Gefundenes Fressen für Start-ups
Das in Silicon Valley ansässige Start-up Impossible Foods hat es sich zum Ziel gemacht, eben dieses Problem zu lösen. Erst vor wenigen Jahren von Studenten der Stanford University gegründet, hat es jetzt schon zahlreiche Investoren, darunter Bill Gates und Google Ventures, und ein ambitioniertes Ziel: Bis 2035 möchte Impossible Foods alle Fleischsorten synthetisch aus pflanzlichen Rohstoffen nachgebaut haben. Seine Produkte sollen so einen kleineren ökologischen Fußabdruck als vergleichbare tierische Produkte haben.
Fleisch, das keines ist
Bereits vor vier Jahren hat das kalifornische Start-up einen synthetischen Burger als sein neues Flaggschiff vorgestellt und damit für Aufsehen auf der CES in Las Vegas gesorgt. Diese Erfolge konnte Impossible Foods auch dieses Jahr wiederholen, als es dort mit einem neuen Imitat für Schweinehack an den Start ging.
Das Impossible Pork genannte Produkt soll sich laut Hersteller zu jedem Hackfleischgericht und sogar zu Wurstaufschnitt problemlos weiterverarbeiten lassen und dabei geschmacklich dem Original unglaublich nahekommen. Impossible Foods verspricht einen „milden, würzigen Geschmack, der ihm eine zarte Tiefe verleiht“. Zudem soll es sich wie normales Fleisch bei der Zubereitung in Öfen, Grillen und der Bratpfanne verhalten und auch täuschend ähnlich danach riechen.
Ein weiterer Vorteil des Produktes sei, dass bei der Produktion keine tierischen Hormone oder Antibiotika eingesetzt werden, die die Entwicklung resistenter Erreger, sogenannter Krankenhauskeime, begünstigen, welche fünfunddreißigtausend Menschen allein in den Vereinigten Staaten von Amerika jährlich das Leben kosten.
Kulturelle Barrieren überwinden
Impossible Food hofft gerade bei seinem Hackimitat auf den großen Durchbruch, denn bei achtunddreißig Prozent des weltweiten Fleischkonsums handelt es sich um Schweinefleisch. Andererseits müssen Hindus, Jüd*innen, Moslems und Anhänger*innen mancher christlicher Sekten momentan aus religiösen Gründen darauf verzichten. Durch koscher- und halal-zertifiziere Produktionsstätten verspricht Impossible Pork ihnen, auf Wunsch neue Geschmacksrichtungen zu erkunden, die ihnen bisher verwehrt geblieben sind. Zugleich betont der Hersteller, selbstverständlich niemandem etwas aufzwingen zu wollen.
HEME ist das Fleisch und Blut
Impossible Foods zufolge verleiht den synthetischen Produkten ein spezielles Molekül ihren Geschmack: HEME. Dabei handelt es sich um ein eisenhaltiges Molekül, dass für den spezifischen Geschmack von Fleischgerichten verantwortlich sei. Im synthetischen Fleisch wird Leghämoglobin eingesetzt, dass zuvor aus den Wurzeln einer Sojapflanze extrahiert wurde und mit HEME weitgehend identisch ist.
Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach
In den Vereinigten Staaten und in Singapur sind viele Produkte von Impossible Foods, darunter etwa ein fleischloser Burger, bereits im Handel erhältlich. So können diese in verschiedenen Supermärkten und Pop-up-stores, die alle auf einer Onlinekarte auf der Webseite des Konzerns verzeichnet sind, zur eigenen Zubereitung gekauft werden. Alternativ sind diese bereits an den Imbissen verschiedener Ketten zum direkten Verzehr erhältlich. Innerhalb der Europäischen Union lassen die Produkte allerdings noch auf sich warten, da ihnen einige hierzulande essentielle Zulassungen fehlen.
Wann hingegen auch das Schweinehackimitat Impossible Porks auf den Markt kommen wird, dazu möchte der Hersteller noch keine Angaben. Eingeladene Medienvertreter*innen durften es auf der CES zwar bereits testen, doch marktreif scheint das Produkt aus Sicht des Start-ups wohl noch nicht zu sein.
Ob der Geschmack tatsächlich so täuschend ähnlich wie angepriesen ist und die Massenproduktion keine ungeahnten Probleme birgt, darüber kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren. Doch unabhängig davon sind die Produkte von Impossible Foods ein spannender Ansatz, den Menschen den Verzicht auf Fleisch näher zu bringen, ohne dass diese zu weit aus ihrer Komfortzone heraustreten müssen.
Coverfoto: Impossible Foods